Mittwoch, 29. November 2017

Drosselklappe oder: heart of darkness


Das schwärzeste Schwarz meines Lebens, dachte ich, hätte mir Philips mit seiner Gummi-Pest beschert. Bis vor ein paar Tagen im Armaturenbrett unseres KIA Sportage eine kleine Lampe erst hin und wieder, dann dauerhaft zu glimmen begann; es ist eine Lampe, die eine Vielzahl von Motorstörungen anzuzeigen vermag. Gleichzeitig begrenzte unser Motor sein Leistungsangebot auf maximal 3.000 rpm. In jedem Gang. Der in der Werkstatt per Tester ausgelesene Fehlercode P2113 besagte fast harmlos klingend: „Positionssensor B – minimale Endposition nicht i.O.“. Tja, so sagte man mir auf nähere Nachfrage, das könne bedeuten, dass die Drosselklappe defekt und auszuwechseln wäre. Kostenschätzung: etwa 800 €. Nein, so hieß es auf meine Nachfrage, daran sei eigentlich auch wenig zu reparieren; typischerweise wäre die Elektronik der Drosselklappensteuerung nach einiger Zeit verkokt und/oder verölt – durch diese Klappe wird nämlich auch Abgas in die Verbrennungsräume zurückgeführt, um die NOx-Werte zu mindern – und das Bauteil gebe es auch nur als Ganzes, nicht etwa die Elektronik gesondert. Es könnten aber durchaus auch noch weitere Teile defekt und auszuwechseln sein, etwa das Abgasrückführungs-Ventil, das nach einiger Laufleistung ebenso zum Verkoken neige; dieses Ventil sei zwar als reines Ersatzteil billiger, aber es sei viel schwerer einzubauen – Kostenschätzung: etwa 600 €.
Nun – unser Sportage ist lockere 205.000 gelaufen, soviel Geld wollten wir nicht noch hineinhängen, in einen Diesel zumal, von dem niemand weiß, wann den wer noch kaufen wollen wird. Drum hole ich mal das Werkzeug heraus. Zum Glück liegt die Drosselklappe sehr gut zugänglich unter dem Motor-Abdeckschild, direkt zwischen dem querliegenden Zylinderblock und dem Ventilator.
 

Die Klappe: Oben noch an Ort und Stelle, unten im ausgebauten Zustand:

Dabei eröffnet sich ein interessanter Einblick in den weiterführenden Ansaugkanal: Der ist nach den 200 Tkm zu mindestens 10% seines Querschnitts mit tiefschwarzem Ölkohlenschmier angefüllt. Vor wenigen Tagen habe ich zufällig in Jena einen Stukkateur-Spachtel gekauft (in einem dieser fast ausgestorbenen Haushaltswaren-Geschäfte mit mindestens 10 Regalmetern prächtigem Werkzeug); mit diesem Spachtel kann man die kohlige Pracht wunderbar herausschaben.
heart of darkness

darkness


Interessant wird es auch beim Öffnen der Drosselklappen-Steuerung. Wie vorausgesagt: völlig verölt - hier zwei Bilder nach dem Motto vorher/nachher:

unten: low carb
Nachher meint: Mit Terpentinersatz und zehntausend Wattetupfern von öliger Sauce gesäubert treten nun auch SMD's etc. wieder zu Tage. Vorsicht: die erst im unteren Bild (Mitte) gut sichtbaren sieben feinen Drähtchen haben den Querschnitt von Fliegenbeinen, sie sollten also höchstens mit einem weichen Pinsel gereinigt werden; sie sind ggf. nach der Reinigung auch wieder vorsichtig so zu positionieren, dass kein Masseschluss droht.

Eine vergrätzte Anmerkung: Ich bin ein Gegner der Todesstrafe. Konstruktionen wie diese könnten mich allerdings dazu verleiten, für bestimmte Ingenieure (nicht etwa Koreaner - denn jedenfalls die Drosselklappeneinheit hat keinen Migrationshintergrund; außen prangt "Siemens VDO") Ausnahmen zu tolerieren. Tatsächlich hätte man das Risiko eines Verölens der Elektronik deutlich herabsetzen können, hätte man diesen Teil der Steuerung nur oberhalb der Drosselklappe angeordnet, meinetwegen auch seitlich; Platz genug ist vorhanden. Aber schräg darunter, dabei dann auch unter der ständig bewegten Welle der Drosselklappe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Öl der Schwerkraft folgend entlang der Klappen-Welle und vorbei an einem vermutlich sterblichen Simmering zur Elektronik gelangt, mit zunehmender Zeit beträchtlich, zumal auch zwischen der Mechanik und der Elektronik keinerlei Trennung wie etwa eine Membrane vorgesehen ist. Für mich sieht es wie eine Sollbruchstelle - oder Sollschmierstelle - aus, und das stimmt verstimmt. Fachsprachlich könnte man das Ganze als geplante Obsoleszenz deuten, ein wichtiges Hormon einer Konsum-abhängigen, aber auf Sicht nicht nachhaltigen Ökonomie. Den ökologischen Rucksack dieser Einheit mit viel Aluminium, einigem Kupfer und diversen seltenen Erden in der Elektronik schätze ich auf deutlich > 100 kg. Die Aussichten auf ein reales Recycling - ganz oder in Teilen - dürften dabei höchst gering sein: Nach Aussagen mehrerer Werkstätten werden bei Funktionsproblemen typischerweise keine Austauschteile, sondern eben Neuteile verbaut - wohl auch, um auf "Nummer sicher" zu gehen und späteren Reklamationen vorzubeugen. Anm. dazu: Tatsächlich sind an dieser Drosselklappeneinheit die mechanisch/elektrische Verstellung und die Elektronik zwei voneinander leicht trennbare, individuelle Baugruppen - lediglich vier Torxschrauben sind herauszudrehen - und nur im absoluten Ausnahmefall werden einmal beide Konponenten gleichzeitig defekt werden.


Zurück zu meinem Fall: Alles gut gereinigt wieder zusammengebaut, die Batterie für ca. 5 Minuten abgeklemmt (das soll helfen, damit der Wagen seine Sensoren neu erkennt und vorhandene Einstellungen resetted), gestartet - unser Sportage springt ohne Probleme an und läuft wieder rund; bei der Probefahrt ist die Leistung auch wieder adäquat - die Grenze von 3.000 rpm, die offenbar durch ein Notlaufprogramm vorgegeben war, ist wieder aufgehoben. Die Kontrolllampe für die Motorsteuerung hält sich vornehm zurück. Etwas irritierend ist noch die Verbrauchsanzeige, die nun Werte um die 15 Liter / 100 km meldet. Ich hoffe, das ist nur ein anfänglicher Messfehler nach dem Reset; nach der fühlbaren Motorcharakteristik müsste die Maschine eigentlich runder, leichter und sparsamer laufen.

Gut - ich weiß nicht, wie lange die Sache hält - beim Schwarz meiner Finger kalkuliere ich 2 - 4 Tage.


Aber es gibt jedenfalls neue Hoffnung. Und das waren die drei Stunden Bastelei (bei glücklicherweise gutem Wetter) und die verkohlten Finger (ging mit Spülmittel dann schon mal zu 90% wieder ab) wert. Schau'n wir mal!

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